Roma e Toska

Wenn Schönheit unseren Blick führt –
Die Details einer Kollektion

Fast hätte ich diese Kolumne begonnen mit dem Satz »Es ist Ostern und keiner geht hin«, aber dann habe ich ihn wieder gestrichen, da er mir zu negativ erschien, denn es ist Ostern und wir sind da, wo immer wir auch gerade sind.

Dabei muss ich an eine Kollektion von Roma e Toska denken, die ich kurz nach Fukushima 2011 entwarf: »The Beauty of the Ordinary«. Sie folgte einem Zitat des französischen Künstlers Henri Matisse, dass es überall Blüten gibt, für die, die sie sehen wollen. Und so lenkte ich damals den Blick auf die kleinen Details, die Farben im Frühling, das ungewollte Stillleben in der Küche oder die Häuserecke, auf der das Licht der Sonne seine Schattenspiele treibt.

Mit den Mitteln der Mode versuchte ich, die Welt für mich wieder neu zusammen zu bauen. Die zeitlosen Drucke mit den Quallen und Einzellern des Naturforschers Ernst Haeckel (1834 – 1919) stehen in einem ähnlichen Kontext: »Wir können Schönheit nur wieder verstehen, wenn wir uns nicht länger der Frage verschließen, was Leben ist. Nur dann haben wir eine Chance, die Natur und das, was bis dahin von ihr geblieben ist, zu bewahren.«

Ernst Haeckel war der Erste, der sich um die ältesten und kleinsten Wesen im Meer kümmerte, er begann sie zu studieren, zu zeichnen und ihren symmetrischen Aufbau zu verstehen. Seine Publikationen »Kunstformen der Natur« beeinflussten am Ende des 19. Jahrhunderts eine ganze Epoche, den Jugendstil.

Wir haben seine Motive auf Seide, Baumwolle und Futterstoffe drucken lassen in Oberitalien, in der Lombardei, in der die Pandemie besonders wütete. Alles verspätete sich im letzten Frühjahr, kam erst Anfang des Sommers und begleitet uns seitdem als Kollektion. Überall in Europa legen die dritte und vierte Welle mit weiteren Lockdowns das normale Leben lahm, und trotzdem entstehen neue »Medusen« und »Radiolarien«, wie die Micro-Organismen heißen. Tapfer. Wenn wir telefonieren, Aldo, der Stoffdesigner, und ich, versuchen wir uns gegenseitig zum Lachen zu bringen. Die Zusammenarbeit hat eine neue Innigkeit erhalten.

Das Thema Natur beschäftigte mich kreativ die ganzen vergangenen Monate. Die Premier Vision, die größte Stoffmesse der Welt in Paris, hatte im Februar 2020 für die kommenden Saisonen die Losung ausgegeben: »What if the solution were to be found in Nature?«

Mit diesem Slogan habe ich ein T-Shirt produzieren lassen und eine nächste Kollektion entworfen: Ruwenzori. Die Bilder dazu entstanden in Uganda, aber es geht um die Suche nach dem Mystischen und Magischen, um ein universelles Erlebnis von Natur, das weit über das Gesehene hinausgeht. Darauf kommt es an, mehr als je zuvor.

Es ist das Grün der Bäume, das Gelb der Dünen und das Blau des Meeres … ach, eigentlich kann man die ganze Farbpalette aufzählen, die gerade draußen explodiert. Die Fashionwelt gibt ihr jedes Jahr eine Fülle von neuen Namen, das Royal Blau wird zu »Neptun Blau« und das leuchtend Petrol-Grün erhält den Zusatz »Freedom«. Machen wir uns doch einmal den Spaß und gehen durch die Natur, oder setzen uns in den Garten, auf den Balkon, vor das Fenster und geben den Farben um uns herum neue Attribute, da gibt es ein »flüsterndes Grau« und ein »Swinging Gelb«, das Pink im Blumenstrauß wird zu »explosive Pink« …

Die Welt wird bunt, so wie auf den Bildern von David Hockney, über den ich mich in unserem wöchentlichen Mittagessen mit der Kunsthistorikerin Dr. Karen Michels unterhielt. Daraus sind zauberhafte Momente geworden, über die in meinen Blogbeiträgen festgehalten sind: blog.romaetoska. com (Art-Lunch).

Bleiben Sie gesund und gehen Sie mit dem Auge auf Reisen.

Birgit Gräfin Tyszkiewicz